Der Krieg Russlands in der Ukraine tobt weiterhin, täglich erreichen uns neue Schreckensmeldungen aus den belagerten, zerstörten Städten. Die lokale Zivilgesellschaft versucht, ihre wichtige Arbeit aufrechtzuerhalten, neue Prioritäten wie die Unterstützung von Ausgebombten sind hinzugekommen. Seit Kriegsbeginn arbeitet urgewald eng mit der ukrainischen NGO Ecoaction zusammen. Ende Februar haben die zwei Organisationen, als Teil einer NGO-Koalition, einen offenen Brief an Energiekonzernchefs europaweit geschickt, in dem wir zu einem sofortigen Energieimportstopp aus Russland aufrufen.
Am 8. April 2022 haben wir Natalia Gozak, Geschäftsführerin von Ecoaction, virtuell getroffen, um die aktuellste Lage in der Ukraine zu erfahren und die wichtigsten Projekte und Bedürfnisse der ukrainischen Zivilgesellschaftsorganisation zu besprechen.

Die Invasion hat unsere gesamte Arbeit verändert.
Natalia Gozak, Ecoaction
Das Interview in Kürze:
urgewald: Kannst du uns Ecoaction und seinen Auftrag kurz vorstellen?
Natalia Gozak: EcoAction wurde vor mehr als fünf Jahren im Jahr 2017 gegründet. Wir setzen uns dafür ein, dass sich die Menschheit in einer sicheren und sauberen Umwelt entwickelt. Das ist unsere Aufgabe, die Entscheidungsträger*innen zu beeinflussen und die Zivilgesellschaft zu mobilisieren. Früher haben wir in drei Säulen gearbeitet: Klima, Energie und industrielle Verschmutzung. Derzeit sind wir die größte Umwelt-NGO in der Ukraine, mobilisieren mehr als 25.000 Unterstützer*innen und haben mehr als 30 Mitarbeiter*innen in unserem Team.
urgewald: Russland führt immer noch Krieg gegen die Ukraine. Wie ist die Lage vor Ort heute?
Natalia Gozak: Jetzt erleben wir wirklich unvorstellbare Massaker in den nördlichen Städten der Ukraine. Wir sehen aber auch, dass beträchtliche Gebiete im Norden jetzt frei von russischen Truppen sind, und das ist sehr ermutigend. Die Schlacht um Kyiv können wir als gewonnen betrachten, und ein ähnlicher Kampf steht noch für andere Gebiete im Osten und Süden an.
urgewald: Wie wirkt sich die Invasion auf eure Arbeit aus?
Natalia Gozak: An dem Morgen, an dem die Eskalation begann, wurden all unsere früheren Pläne, Strategien und sogar die Organisationsstruktur hinfällig, und das in nur einer Stunde. Es war klar, dass wir in einer solchen Situation, in der sich das ganze Land im Krieg befindet, nicht mehr so weitermachen können wie bisher, und das hat sich natürlich nicht nur ausgewirkt, sondern die ganze Arbeit, die wir machen, verändert.
Jetzt konzentrieren wir uns darauf, dass russische fossile Brennstoffe international verbannt werden. Wir konzentrieren uns auf die Dokumentation von Umweltkriegsverbrechen und die Öffentlichkeitsarbeit dazu. Wir fangen auch an, über Innovationen für die Zeit nach dem Krieg nachzudenken, denn wir glauben, dass der Krieg irgendwann zu Ende sein wird und wir gewinnen werden. Dann muss in den befreiten Gebieten der Wiederaufbau stattfinden, und die Frage ist, wie dieser erfolgen soll. Business as usual? Oder ein neuer, nachhaltigerer Ansatz?
urgewald: Ihr verfolgt die Situation in den Kernkraftwerken von Tschernobyl und Saporischschja genau - was kannst du uns darüber berichten?
Natalia Gozak: Gerade ist die Situation in der Tschernobyl-Zone in Ordnung und die Besatzer haben das Gebiet verlassen. Die Situation im Kraftwerk von Saporischschja war viel riskanter und dramatischer, denn es begann mit der Bombardierung und dem Beschuss dieses Gebiets. Kein Atomkraftwerk auf der ganzen Welt wurde so konzipiert, dass es militärischen Angriffen standhält. Das ist unglaublich. Russland ist der einzige Nuklear-Terrorist der Welt. Russische Truppen sind noch immer dort und nutzen das Gelände offenbar hauptsächlich als sicheren Ort, um ihre militärische Ausrüstung zu lagern - denn wer würde dort auf sie schießen?
urgewald: Wie können wir eure Aktivitäten am besten unterstützen, und wo besteht derzeit der größte Finanzierungsbedarf?
Natalia Gozak: Fordert eure Regierung auf, den Kauf und die Nutzung russischer fossiler Brennstoffe einzustellen. Fordert Unternehmen auf, auf erneuerbare Energiequellen umzusteigen. Darüber hinaus ist es wichtig, Aktivist*innen und die Umweltbewegung im Land zu unterstützen. Wir haben Unterstützung für Personen gestartet, die gezwungen waren, ihre Häuser innerhalb der Ukraine zu verlassen, und wir stellen ihnen eine Anschubfinanzierung zur Verfügung, damit sie neue Wohnungen innerhalb des Landes mieten können. Ein weiteres Instrument ist die Anschubfinanzierung für Umweltorganisationen, um sicherzustellen, dass Umweltverbrechen dokumentiert werden. Wir brauchen Augen überall, damit wir alle Verbrechen sehen können, die in dieser unglaublichen Situation begangen werden, nicht nur gegen die Menschheit, sondern auch gegen die Umwelt.
Helfen Sie Ecoaction in dieser schwierigen Situation
Ecoaction leistet in der Ukraine Herausragendes. Wir sind froh, dieser Organisation mit unseren Möglichkeiten helfen zu dürfen. Nun rufen wir Sie auf, die Arbeit und die wichtigen, kriegsbedingten Projekte der Organisation mit ihrer Spende zu unterstützen. Über den Link gelangen Sie zum Spendenformular. Bitte geben Sie dort das Kennwort "Ecoaction Ukraine" zusammen mit Ihrer Spende ein. Alle Beträge unter diesem Kennwort leiten wir zu 100% weiter an Ecoaction.
Kontakt

Simone Lennerz
Betreuung Fördermitglieder
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